Darf es eine Extrawurst sein?
Eisbein, Rinderbraten, Schweinshaxe – die deutsche Küche ist berühmt für ihre deftigen Fleischgerichte. Statistiken zufolge verputzen vier Fünftel der Deutschen mehrmals pro Woche oder sogar täglich Fleisch und Wurst, das macht einen Gesamtverbrauch von etwa 88,2 kg Fleisch im Jahr aus. Vor allem Männer verzichten ungern auf Salami, Bratwurst & Co. Und dennoch: Es wird immer mehr Wert auf gesunde Kost gelegt, diverse alternative Ernährungsformen liegen voll im Trend. Während manche dabei gänzlich auf tierische Erzeugnisse oder Inhaltsstoffe verzichten, steht bei anderen durchaus auch mal Fisch auf dem Speiseplan. Früher konzentrierte sich alles auf das Vegetariertum, heutzutage begegnet man vielen verschiedenen Ernährungskonzepten – von ayurvedischer Kost über Trennkost bis hin zur veganen Ernährung. Das bekommen auch die Gastronomen immer häufiger zu spüren.
Laut Food-Report 2015 wünschen sich fast 60 Prozent aller Restaurantgäste fleischlose Alternativen zur gängigen Menükarte. Sieben Prozent erwarten sogar eine Auswahl an veganen Speisen. Hinzu kommt die steigende Nachfrage nach Angabe und Kennzeichnung von Allergenen, gluten- und laktosefreien Gerichten. Die Ansprüche an Auswahl und Qualität der Speisen werden immer größer, genau wie die Vielzahl unterschiedlicher Essenstypen auch. Vegetarier, Veganer, Frutarier, Pescetarier – wie soll man da als Gastronom überhaupt noch durchblicken?
Der Vegetarier
Er verzichtet auf Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte. Produkte von lebenden Tieren, wie z.B. Milch, Eier oder Honig, sind jedoch durchaus erlaubt. Es sei denn, er gehört einer Untergruppe an. Denn der Ovo-Vegetarier verzichtet gänzlich auf Milchprodukte, dem Lacto-Vegetarier verbietet sich der Verzehr von Eiern und beim Ovo-Lacto-Vegetarier kommen zwar weder Fisch noch Fleisch auf den Tisch, dafür aber Produkte von lebenden Tieren wie Honig, Eier, Milch und Milchprodukte. Schimpft er sich Semi-Vegetarier, verzichtet er lediglich auf rotes Fleisch, während Geflügel guten Gewissens verzehrt werden darf. Ist er Pesco-Vegetarier, stehen immer mal wieder Fisch und Meeresfrüchte auf dem Speiseplan.
Der Veganer
Er verzichtet auf alle Nahrungsmittel tierischen Ursprungs. Das bedeutet: Kein Fleisch, keine Eier, keine Milch und kein Honig und auch keinerlei daraus hergestellte Lebensmittel. Ein strenger Veganer achtet nicht nur beim Essen darauf, tierische Produkte zu meiden. Auch Kleidung, Schuhe, Kosmetik und Pflegeprodukte dürfen ausschließlich natürlicher Herkunft sein, die Ausbeutung von Tier und Natur durch die Zivilisation wird strikt abgelehnt. Veganismus ist also oft nicht nur eine reine Ernährungsform, sondern vielmehr eine Lebensweise, von der dieser Veganer-Typ stets seine Mitmenschen zu begeistern versucht. Natürlich gibt es auch den hippen Typen, der einfach einem Trend folgt. Er sieht das Ganze etwas lockerer.
Der Flexitarier
Er gönnt sich hin und wieder ein Stück Fleisch oder Fisch. Ihm geht es weniger um den Erhalt tierischen Lebens als vielmehr um seine eigene gesunde Ernährung. Ein Teilzeitvegetarier also, der bei der Auswahl seines Sonntagsbratens sehr viel Wert auf Qualität legt.
Der Pescetarier
Er verzichtet zwar auf Fleisch, Fisch ist ihm aber immer ein willkommener Genuss – sofern er nicht aus einer Massentierhaltung stammt. Auch Eier, Milch oder Honig sind erlaubt. Bei Krebs- und Weichtieren scheiden sich allerdings selbst unter den Pescetariern die Geister.
Der Frutarier
Er ist wohl der strengste unter den Ernährungsaposteln. Er ernährt sich zwar wie der Veganer nur von pflanzlichen Lebensmitteln, für sein Essen darf allerdings auch keine Pflanze zu Schaden kommen. Erlaubt sind z.B. Obstsorten, die vom Baum oder Strauch gefallen sind oder Lebensmittel, die von der Pflanze gepflückt werden können. Tomaten, Kürbisse, Erbsen oder Bohnen kommen also auf den Tisch, Knollen, Blätter oder Wurzeln von Nahrungspflanzen wie z.B. Kartoffeln, Lauch oder Rüben sind tabu.
Der Rohköstler
Zwar sind viele seiner Ernährungsgenossen vegan, grundsätzlich aber ist er offen für alle Arten von Lebensmitteln. Sofern sie nicht im Rohzustand verzehrt werden, dürfen sie allerdings während der Verarbeitung nicht auf mehr als 40 Grad erhitzt werden, damit Vitamine und Enzyme erhalten bleiben, die sonst beim Erhitzen oder langen Garen zerstört würden.
Der Freeganer
Er versucht, aus einer politischen Motivation heraus kostenlos zu leben. Nicht umsonst wird er auch „Mülltonnentaucher“ genannt, denn er sucht sich seine Mahlzeiten oft aus Abfällen von Supermärkten und Restaurants zusammen. Das Wichtigste für ihn ist, dass seine Lebensmittel nicht aus kommerziellem Handel stammen. Damit möchte er auf Verschwendung und Überfluss sowie die weltweite Armut hinweisen.
Der Lebensmittel-Allergiker
Er befindet sich unter vielen Leidensgenossen. Laut Experten-Angaben hat sich die Zahl der Lebensmittel-Allergiker in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt, rund sechs Millionen Menschen sind in Deutschland betroffen. Über die Gründe für diese Negativ-Entwicklung wird bislang nur spekuliert: Haben Allergologen seit Jahrzehnten empfohlen, den Konsum von Allergenen im Kleinkindalter zu meiden, lassen jüngste Forschungen jetzt befürchten, dass genau das falsch ist. So soll z.B. der frühe Konsum von Erdnüssen vor einer Erdnuss-Allergie schützen. Ob der frühe Kontakt tatsächlich vor einer Allergie schützt, ist allerdings noch nicht erwiesen.
Was bedeutet das für die Gastronomie?
Während vegetarische Gerichte mittlerweile zum Standardangebot auf den Speisekarten der meisten Restaurants stehen, haben es Veganer meist deutlich schwerer, ihre Ernährungsweise im Alltag umzusetzen. Allerdings geht der Vegetarierbund Deutschland aktuell von 900.000 Veganern in Deutschland aus, das entspricht 1,1 Prozent der Bevölkerung – Tendenz steigend. Kein Wunder also, dass sich, zumindest in Großstädten, ein regelrechter Boom an veganen Restaurants, Cafés und Supermärkten beobachten lässt. Allein in Berlin hat sich ihre Anzahl in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt, deutschlandweit verzeichnete der VEBU von 2013 bis 2014 ein Wachstum von 32 Prozent. Unter ihnen tummeln sich viele junge, aufgeschlossene Konsumenten, die Trends schneller aufnehmen als andere Gesellschaftsgruppen und einfach Lust haben, was Neues auszuprobieren. Und die sich gern von den Stars und Sternchen aus Hollywood inspirieren lassen. Prominente wie Johnny Depp oder Alicia Silverstone haben sich zu einer pflanzlichen Lebensweise bekannt, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Auch die Magazine im Zeitschriftenregal ziehen dementsprechend nach. Mittlerweile befassen sich mindestens zehn Zeitschriften ausschließlich mit dem Thema „vegan“ in den Bereichen Kochen, Mode und Lifestyle.
Grundsätzlich gilt jedoch nach wie vor, unabhängig von jeglichen individuellen Vorlieben: Der Kunde bzw. Gast ist König. Er gibt den Ton an und es muss alles daran gesetzt werden, seinen Wünschen – seien sie auch noch so ausgefallen – zu entsprechen. Neben Frische, Gesundheit und Natürlichkeit, die die Grundlagen vieler neuer Gastronomiekonzepte bilden, kommt es in erster Linie auf Genuss und Geschmack an.
Das „Cookies Cream“ in Berlin ist der beste Beweis für die Vereinbarkeit von Szenegastronomie und vegetarischer Küche. Bereits 2007 eröffnet, gilt sein Betreiber „Cookie“ als Vorreiter der vegetarischen Gastroszene und hat sich mittlerweile zu einem der besten Restaurants für vegetarische Küche etabliert. Küchenchef Stefan Hentschel setzt bei seinen kreativ angerichteten Gourmet-Gerichten auf saisonale Zutaten und vergessen geglaubte Produkte wie die Ur-Karotte oder bestimmte Wildkräuter. Neugierig geworden? Dann einfach mal hingehen und ausprobieren – vielleicht gibt es dann wieder ein paar mehr Vegetarier auf dieser Welt.