Fridolin Taudtmann betreibt die Buchkantine in Berlin-Moabit. In seinem außergewöhnlichen Konzept vereint er Buchhandel und Gastronomie. Im Interview erzählt er von der wichtigen Rolle der Digitalisierung in der Gastronomie.
Wie bist du Gastronom geworden?
Neben meinem Studium der Gartenbauwissenschaften musste ich jobben und bin relativ schnell in der Gastronomie gelandet. Irgendwann habe ich in der Buchkantine angefangen. Das Konzept hat mir gefallen, vielleicht gerade weil es neu und nicht ganz ausgereift war. Später hat es sich ergeben, dass ich als Partner mit eingestiegen bin. Mit dem Umzug in die neuen Räume habe ich die Buchkantine ganz übernommen, da sich mein Partner auf andere Bereiche konzentrieren wollte.
Es gab einen Punkt in meinem Leben, an dem ich mich entscheiden musste: Will ich eigentlich Wissenschaftler sein oder Gastronom werden? Ich habe mich dann für die Gastronomie entschieden. Denn ich liebe diese Branche, die Vielfältigkeit, die Abwechslung und die Möglichkeiten. Und das Gefühl nach einer erfolgreichen „Schlacht“ sich im Team die Hand zu reichen und weiterzumachen. Teamplay, ein tolles Gefühl, dass mir an der Universität oft gefehlt hat.
Was aus dem Studium hilft dir besonders bei der Arbeit?
Mein Studium war wissenschaftlich und hatte viel mit Zahlen zu tun, mit Excel Tabellen und Auswertungen, um eventuelle Einflüsse auf die Pflanzen messbar zu machen. Die Auswertung von Zahlen ist mir mitgegeben worden. Was mir davon geblieben ist hilft mir sehr. Gerade wenn ich sehe wie mein Umfeld teilweise Probleme hat mit Zahlen umzugehen. Big Data beinhaltet viele Informationen von allen möglichen Prozessen in diesem Laden. Big Data gibt uns große Möglichkeiten die wir als Gastronomen nutzen müssen um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und bessere Arbeitsbedingungen gewährleisten können.
Was ist das Geheimnis deines Erfolgs?
Den richtigen Ehrgeiz am richtigen Zeitpunkt zu haben. Manchmal hilft auch ein bisschen Glück, obwohl es in meinem Fall wirklich einfach Durchbeißen war. Zu sagen, egal, ich habe keinen Urlaub, ich kann mir keine neuen Turnschuhe leisten, es ist halt so. Aber ich ziehe das jetzt durch, weil ich eine Vision habe und weiß dass es in den nächsten Jahren irgendwann erfolgreich wird. Aber auch ich hatte Schwierigkeiten, welche ich zum Glück überstehen konnte und dafür bin ich sehr dankbar.
Es ist wichtig die vielen Kleinigkeiten richtig ernst zu nehmen. Gerade in einem Mischkonzept aus zwei verschiedenen Bereichen. Es gibt Sachen, die man verstehen muss, damit alles funktioniert. Angefangen mit dem Thema Lautstärke. Wenn der Gast kein Buch kaufen kann, weil er kein Wort versteht, wenn die Buchhändlerin oder der Buchhändler ihn oder sie berät, dann funktioniert es nicht. Genauso wenig funktioniert die Gastronomie, wenn man immer leise sein muss und alles ewig dauert. Dementsprechend muss der Kontrast passen. Die Technik hilft uns dabei.
Außerdem ruhe ich mich nicht aus, sondern denke immer noch ans nächste und übernächste Jahr. Selbst wenn ich gerade in der Planung des Neuesten bin, denke ich schon ans übernächste. Natürlich nicht in Hast, sondern wohl überlegt. Aber das gehört dazu, man muss immer schon ein Stück weiter die Auswirkungen einer Investition in die Zukunft bedenken, um gute Entscheidungen treffen zu können. Die Gastronomie steht vor einem großen Wandel, ich begrüße diesen Wandel da ich diesen als längst notwendig empfinde.
Die Buchkantine ist Lese-Café, mit Liebe zum Detail sortierte Buchhandlung, Bistro, Krimi-Ort und entspannter Nachbarschaftstreff in einem.
Wie unterstützen euch digitale Lösungen im Arbeitsalltag?
Wir haben nach einer Lösung für die Personalplanung gesucht und sind so auf Planday gestoßen. Das Tool lässt uns einfacher und sicherer zu arbeiten – ohne viele Flüchtigkeitsfehler. Die Kommunikation war früher bei uns ein großes Problem: Wer hat welche Telefonnummern, wie ist ein Kellner oder eine Küchenkraft erreichbar? Wir haben Personallisten führen müssen, die waren irgendwie nie aktuell, denn die Gastronomie ist mit hoher Personalfluktuation verbunden. Irgendwann, nachdem man so eine Liste zwei Monate nicht aktualisiert hat, wusste man schon von 1/3 der Personen gar nicht, wie man sie erreicht. Zusätzlich habe ich seit der Einführung von Planday mehr Zeit, entweder für Freizeit oder ich plane andere Sachen in meinem Betrieb.
Wer aus deinem Team nutzt den digitalen Dienstplan?
Jeder, denn es ist absolut einfach. Sowohl die 34 Mitarbeiter in der Gastronomie, als auch unsere Buchhandelmitarbeiter haben ihren Dienstplan bei Planday liegen. Die Reaktion unserer Mitarbeiter war sehr positiv. Vor allem unsere Aushilfen sind jetzt in der Lage, schnell und selbstständig ihre Schichten zu finden und bewerben sich auf Schichten, bei denen sie wissen, dass sie arbeiten können. Sie kriegen dann innerhalb von 24 Stunden bei uns die Bestätigung und haben dann fortlaufend ihren Schichtplan. Auch Urlaubsanträge werden digital eingereicht und bearbeitet. Durch unser Ganztageskonzept haben wir das Problem, dass man sich nicht immer sieht und es vorkommen kann, dass man manche Kollegen nur einmal im Monat sieht. Da ist es super, wenn man eine zentrale Plattform für Kommunikation hat.
Wie stehst du zur Digitalisierung in der Gastronomie?
Wir sind ein sehr modernes Unternehmen, technisch extrem gut aufgestellt. 90 Prozent unserer betrieblichen Abläufe sind digitalisiert. Es verändert sich bei uns jedes Jahr unglaublich viel. Das wird nicht langweilig, das ist aber auch wichtig. Bei uns ist immer Bewegung. Aber natürlich mag auch nicht jeder die Bewegung und den Fortschritt. Aber die Veränderung ist weder aufzuhalten noch etwas Schlechtes.
Die Digitalisierung ist in der Szene der Gastronomie ein ganz wichtiger Teil. Viele verschlafen das gerade, oder wissen gar nicht, dass es digitale Lösungen gibt. Es gibt ein Problem mit der Kommunikation und es fehlt uns Gastronomen die Lobby, um die Digitalisierung voranzubringen, um letztlich auch den kleinen Unternehmer erfolgreicher zu machen. Es geht nicht darum reich zu werden, sondern einfach zunächst darum, dass man von dem was man an arbeitet, reinsteckt, auch leben kann.
Was sind deine größten Herausforderungen?
Zu Jahresbeginn muss immer die kommende Saison geplant werden. Was machen wir im Sommer? Neue Speisekarte, neue Technik, Reparaturen, Instandhaltung. Wie sieht es mit Möbeln, Serviceabläufen, Servicestrukturen, Personalstruktur und Werbung aus?
Das Thema Personal beschäftigt uns ebenfalls sehr. Personal ist immer das große Thema. Nicht nur Personal halten, sondern auch Personal finden. Wir müssen viel einstellen und die guten Leute muss man erstmal finden und diese dann halten. Hierzu nutzen wir erfolgreich shjft.
Ja, wir haben einen Fachkräftemangel in dieser Branche, die Azubizahlen an den Schulen gehen zurück. Es ist aber auch ein hausgemachtes Problem unserer und der Generation davor. Wir müssen endlich bessere Bedingungen schaffen um diese wundervolle Branche wieder attraktiv für den Nachwuchs zu machen. Die Ausbildungsqualität muss ebenfalls dringend besser werden. Aber letztlich gehört auch ein Umdenken der Kunden dazu.
Wir haben hier in Berlin extrem rasant steigende Nebenkosten insbesondere bei den Mieten der Wohnungen. Damit wir noch besser bezahlen können, müssen die Preise angepasst werden. Wenn es politisch gewollt ist, dass wir Gastronomen (und das wollen wir ja eigentlich alle) einer breiten Masse den Zugang zur individuellen Gastronomie ermöglichen, eine Gastronomie ermöglichen die nicht nur noch elitär ist, dann brauchen wir Gastronomen die 7% Mehrwertsteuer auf den Inhausverzehr, so wie in der Hotellerie bei Übernachtungen schon umgesetzt.
Wir wollen eventuell einen neuen Standort eröffnen und sind auf einem sehr guten Weg dahin. Wir haben viele Bereiche digitalisiert, das ermöglicht uns unkompliziert Daten und Kosten zu kontrollieren. Das Controlling ist wesentlich leichter als vorher. Das ist für mich die Grundlage für eine Erweiterung.
Zurück zum Anfang. Eigentlich hast du mit Zwiebelpflanzen im Studium angefangen. Was macht heute deine Liebe zu Pflanzen heute?
Ich habe den Luxus eines kleinen Gartens. Da pflanze ich tatsächlich gerne. Es ist meine Meditation neben dem Laufsport. Ich habe gemerkt, wie meditativ Blumen gießen sein kann, gerade an stressigen Tagen. Also wirklich, einfach so, nichts machen. Wasser beobachten, wie es irgendwie fließt.